Der Anfang eines seltsamen Endes 1


Leider kam ich nicht weit, denn das Glück hatte sich gleich in mehreren Inkarnationen angekündigt. Über Nacht war ich zu einer Art Lehrer geworden. Da hatte sich eine verstörte Frau gemeldet, die aus Therapiegründen Malunterricht nehmen wollte.

Da ich dergleichen noch nie gemacht hatte wurde mir angst und bange! Zur Abschreckung nannte ich am Telefon einen für mich atemberaubenden Stundenlohn von 50 Mark. Aber die verstörte Frau willigte ein. Und wieder einmal kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wie war es soweit gekommen?

Ich wusste, daß ich vor ca. 2 Jahren (das war 1991 gewesen) einmal eine große Ausstellung südlich der Landeshauptstadt gemacht und dort seltsame Dinge erlebt hatte. Gegen Ende meiner Vernissage war ich damals einigermaßen betrunken gewesen und hatte gar nicht mehr richtig registriert, daß mich ein Besucher ansprach, der offensichtlich von meiner Kunst begeistert gewesen war.

Zum Zeitpunkt des Anrufes der kuriosen Frauensperson kam es mir dann plötzlich vor als hätte es sich bei dem sympathischen Mann um einen Troll gehandelt, denn er schien weit in die Zukunft zu planen. Seine Frau, meinte er, habe diffuse Probleme mit denen er nicht so recht klar käme und deshalb hielt er es für angezeigt, daß sie Malunterricht-Therapie bei einem richtigen Maler nehme, um wieder psychisch auf die Beine zu kommen.

In meinem alkoholischen Zustand sagte ich ihm einfach meine Unterstützung zu, nicht ahnend, daß der Mann nicht einfach nur so dahergeredet hatte.
Und plötzlich (1994) klingelte dann das Telefon. Eine tiefe Frauenstimme fragte mich ob ich mich noch an einen gewissen Herrn Restöv erinnern könne, den ich südlich der Landeshauptstadt, bei einer meiner Vernissagen getroffen hatte. Mir dämmerte Schreckliches.

Nach eben dieser kurzen Preisverhandlung meinte die gute Frau, die sich als das Ehegesponst des gewissen Herrn Restöv herauszustellen begann dann lakonisch: „Und wann können wir anfangen?“ Ich wurde immer verstörter und stotterte in den Hörer hinein: „Wann sie wollen!“ Was blieb mir anderes übrig? Ich tat es meinem Vielleicht-Troll-Kollegen zuliebe. Aber wenn ich gewusst hätte was auf mich zukommt hätte ich Reißaus genommen...

„Morgen komme ich vorbei“ tönte Frau Restöv entschlossen. „Ich soll nicht warten sagen die Ärzte!“ Na, wenn das schon die Ärzte sagen, dann muss es sich ja um einen brisanten Fall handeln dachte ich und ich versuchte in die Zukunft zu schauen. Deshalb holte ich meine Kristallkugel aus der Vitrine und zog mich vor Dingsbums zurück.

Was wollte da auf mich zukommen? Die gläserne Gestalt Gozzilla Gottshäusers flimmert nirgends in den Ecken herum, keine jenseitige Stimme versuchte mich zu erreichen und so ging ich guten Mutes zu Werke. Doch was für ein Wunder kam da auf mich zu?! Aus den anfänglichen kleinen Nebelwölkchen, die im Inneren der Kugel wallten schälte sich ein zauberhaftes Bild heraus – ich wollte gar nicht glauben was ich sah: ein wunderschönes nacktes Menschenkind weiblichen Geschlechts, das sich im Scheinwerferlicht räkelte!

Sofort entwickelte mein Trollgehirn falsche Schlüsse. Wenn das die gute Frau Restöv sein sollte, dann wollte ich sie sehr gerne mit meinem Pinsel und den Farbtöpfchen bekannt machen, die mir zur Verfügung standen. Und von einer solchen Schönheit konnte ich doch, bei Irgendwem, auch nichts verlangen...jedenfalls kein Geld!

Mit solch absurden Gedanken im Kopf wartete ich auf das erste Erscheinen der restövschen Sagengestalt, nicht ohne dieses seltsame Gefühl im Magen, daß ich mich doch wohl geirrt haben müsse.
Am nächsten Tag fanden sich mein Troll und ich eine Stunde vor dem geplanten Eintreffen der Restöverin im Atelier ein, damit alles Nötige vorbereitet werden konnte. Pinsel und Farben standen bereit, die Staffelei war mit einer Leinwand bestückt und etwaige Motive hatte ich auch besorgt, da wir – mein Troll und ich – nicht erwarteten, die zu therapierende Person würde gleich unglaubliche Phantasiegemälde ausführen.

Dann schlug die Stunde ihres geplanten Eintreffens, aber niemand kam. 15 Minuten später wurde ich unruhig...was war geschehen? War überhaupt etwas geschehen, oder hatte ich geträumt, daß sich eine seelisch angegriffene Person zu mir eingeladen hatte?

Mein Atelier lag im 1. Stock eines Gebäudes, in dem sich ca. 30 Ateliers befanden. Es konnte doch gut sein, daß meine Schülerin in Spe auf dem Gang herumirrte und die richtige Türe nicht fand.
Ich ging also hinaus und spähte den langen Flur auf und ab. Nirgends auch nur die Andeutung einer verirrten Verwirrten.
Also ging ich wieder zurück, schloss die Türe und hoffte darauf, daß bald die Schönheit aus der Kristallkugel klingeln werde. Aber nichts geschah!

Da werde ich mir den Malunterricht also wieder abschminken müssen, dachte ich leicht benommen von meinem (Un)Glück, doch dann beschloss ich eines meiner Fenster zu öffnen und die Straße mit meinen Blicken abzusuchen.
Aber dort unten war nichts zu sehen. Nur ein paar unbeteiligte Passanten gingen teilnahmslos vorbei. Darunter eine seltsame alte Frau.

Wieder wartete ich ein Weile, aber – es mochte eine weitere halbe Stunde vergangen sein – ich wagte ich noch einen Blick aus dem Fenster und entdeckte erneut ein paar unbeteiligte Passanten und eine seltsame alte Frau. Meine Aufmerksamkeit konzentrierte sich nun ganz auf sie.
Sie ging bis zum Ende der Straße und kehrte um! Dann spazierte sie wieder unter meinem Atelierfenster vorbei und ging, ohne wirklich nach etwas Ausschau zu halten, zum anderen Ende der Straße, wo sie erneut umkehrte, um wieder unter meinem Fenster vorbei zu gehen.

Nach einiger Zeit und einigen Runden der Frau wurde mir die Sache unheimlich. Wer war sie, die da scheinbar gelangweilt herumlief? Ich machte mich auf den Weg nach unten und sah gerade noch wie das Objekt, nunmehr doch reichlich unschlüssig, endlich um die Ecke bog, ohne ihr eventuelles Ziel erreicht zu haben.

Mit einem kleinen Spurt holte ich sie ein und sprach sie an. „Sie sind nicht zufällig Frau Restöv, mit der ich für heute einen Termin ausgemacht hatte?!“ Sie sah mich entgeistert an, dann war es als kehrte sie von einem weit entfernten Ort in ihr Leben zurück und meinte nur: „Wenn sie der sind für den ich sie halte, dann gehen wir jetzt bitte zum Malen!“

Ich geleitete sie sicher in mein Arbeitsgemach hinauf und bat sie, sich die vorbereiteten Utensilien anzusehen. Inzwischen war ein knappe Stunde vergangen und nichts war getan worden.
Zu allem Unglück sah sie dem zauberhaften Engel meiner Vision nicht im Mindesten ähnlich. Ganz im Gegenteil: sie starrte mich an als wolle sie mich demnächst ermorden. Dann ließ sie sich erklären was zu tun sein – und wir befassten uns noch einmal eine knappe Stunde mit der Malerei.

Ich begann daran zu zweifeln, daß ich ein Trolldiplom besaß, daß ich malen konnte, daß ich jemals Sterne oder überhaupt etwas bewegt hatte, daß mein Leben einerseits heftig und andererseits auch irgendwie real war und, daß dies hier mehr als ein Alptraum sein konnte.

Doch ich wurde eines Pikanteren belehrt.Denn fast zeitgleich mit dem Auftreten des zu therapierenden Ungeheuers begegnete ich erneut Nassunne, dieser Frau die es sich zur Aufgabe gemacht hatte ihr Leben als Model zu genießen und mich ihren Plänen hinzuzufügen.
Dieses Phänomen kam aus dem Dunstreis von Nanana und Schlaudia, wobei sich Letztere, nicht eben begeistert von meinem Hinzugewinn an Sympathie, Dingsbums gegenüber negativ äußerte. Aber es war zu spät – auch hier stand der Termin für ein kreatives Treffen unmittelbar bevor. Doch meinem halluzinativen Traumbild sah auch Nassune nicht ähnlich!

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  31

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  31"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  31

Autor: Michael Dierl   Datum: 26.09.2022 0:50 Uhr

Kommentar: Hallo Alf, Ooooohhhhjaaaaaa, das gefiele mir auch! Therapeutisches Malen geben! Freier Mitarbeiter der Pharmaindustrie, die, wenn ihre Pillen nix mehr bringen das Motto " Kunst macht gesund" und das voll und ganzheitlich auf ihre Fahne schreiben. Da bin ich sofort dabei! Natürlich mit einer angemessenen Vergütung! Mindest soviel wie ein Vorstandsmitglied. Schließlich operieren wir am Seelenzustand des Menschen, was weitaus komplizierter ist als am schnöden Herzen. So, dann lege ich schon mal ein geschätztes Gehalt von sagen wir mal 4999,99 Euro/Person und Std. fest :-) Da freuen sich die Krankenkassen endlich geht's voran auch ohne Pillen!

Gern gelesen!

lg Michael

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  31

Autor: Alf Glocker   Datum: 26.09.2022 7:43 Uhr

Kommentar: haha, das wär was - dann würde ich sogar mit Freuden auch die Verrücktesten unterrichten/betreuen...

LG Alf

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